Diakonie-Sozialstationen zukunftsfähig machen

Die Situation bei Personal und Finanzen fordert die Diakonie-Sozialstationen weiterhin heraus.

„Gemeinsam mit allen Akteuren müssen wir für Rahmenbedingungen kämpfen, die wieder mehr Zeit für die Menschen ins System bringt und eine gute Pflege, Hauswirtschaft und Versorgung ermöglichen. Dazu braucht es dringend finanzielle Mittel und weitere Maßnahmen zur Entbürokratisierung. Auch eine stetige Dynamisierung der Leistungen der Pflegeversicherung muss mit Blick auf die steigenden Kosten unbedingt erfolgen“, sagte Jochen Schnizler, Vorsitzender des Evangelischen Landesverbands für Diakonie-Sozialstationen in Württemberg bei dessen Mitgliederversammlung.

Diakonie-Sozialstationen sind nach Worten Schnizlers von den Kostensteigerungen im Bereich Treibstoffe, Energie und Verbrauchsgüter stark betroffen. „Die Kostenträger haben eine außerordentliche Vergütungserhöhung abgelehnt. Unvorhergesehene Preis-steigerungen gehören aus Sicht der Kassen zum üblichen Unternehmerrisiko.“

Dazu kämen tarifliche Mehrkosten, die nicht refinanziert sind zum Beispiel für die Einspringprämie. „Die hohe Ausfallquote und der damit verbundene finanzielle Aufwand tragen zu einer weiteren Verschlechterung der Situation bei.“ Es bleibe abzuwarten wie sich die wirtschaftlichen Ergebnisse der Diakonie-Sozialstationen im Jahr 2022 entwickeln. Einzelne Träger hätten bereits wirtschaftliche Schwierigkeiten gemeldet.

Der Corona-Rettungsschirm ist zum 30. Juni 2022 ausgelaufen. Immerhin gebe es in der Pflegeversicherung und in der häuslichen Krankenpflege abrechenbare Zuschläge für Masken. Außerdem sei der Infektionszuschlag eine weitere wichtige Finanzierungsquelle für den erhöhten Aufwand. Die zum Herbst 2022 wieder ausgeweiteten Testpflichten sorgten immer wieder für Unmut bei den Beschäftigten und auch bei den Diakonie-Sozialstationen. Immerhin scheine die Finanzierung weiterhin gesichert zu sein. Zur Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht fordert Schnizler klare Aussagen.

Ein Problem seien auch die bei vielen Diakonie-Sozialstationen recht hohen Personal-Ausfallquoten. „Die hohen Ausfallzeiten führen bei Diakonie-Sozialstationen teilweise zu erheblichen wirtschaftlichen Problemen. Gleichzeitig wird das im Dienst befindliche Personal noch mehr belastet.“

Der Landesverband wirbt zur Stärkung der häuslichen Pflege und zur Personalgewinnung auf Messen und neu auch in den Sozialen Medien; auf der Homepage gibt es eine Stellenbörse. Außerdem beschäftigt sich eine Arbeitsgruppe unter dem Titel „Strukturen 2027“ mit der Zukunft der Diakonie-Sozialstationen. Weitere Themen, die der Landesverband bearbeitet sind das Hinweisgeberschutzgesetz (EU-Whistleblower-Richtlinie), die Telematikinfrastruktur, das neue Gemeinnützigkeitsrecht sowie der Umgang mit Erlösen aus der Treibhausgasquote bei E-Autos. Außerdem gibt es Fort- und Weiterbildungen, etwa zur Pflegeberatung und Angebote zum fachlichen Austausch.

Als neue Geschäftsführerin des Landesverbands hat Andrea Kühn begonnen. Sie ist Sibylle Arndts Nachfolgerin, diese wird von Jochen Schnizler mit einem herzlichen Dank verabschiedet.

Fachtag „Qualifikationsmix in der Pflege“

Am 27.10.2022 veranstaltete die Diakonie Baden-Württemberg gemeinsam mit dem Deutschen Evangelischen Verband für Altenarbeit und Pflege e. V. (DEVAP) einen Fachtag zum Thema „Qualifikationsmix in der Pflege“. Rund 80 Teilnehmende aus stationären und ambulanten Einrichtungen haben sich auf den Weg in die Schwabenlandhalle nach Fellbach gemacht. Der Fachtag war angelehnt an das „DEVAP Impulspapier zur Aufgabenverteilung und Qualifikation in der Pflege“, das im Juni diesen Jahres veröffentlicht wurde.

Der Fachtag wurde mit Grußworten von Dr. Kornelius Knapp, Vorstand Sozialpolitik, und Anna Leonhardi, Geschäftsführerin des DEVAP, begonnen. Gabriele Hönes, Leiterin der Abteilung Gesundheit, Alter, Pflege, die selbst am DEVAP Impulspapier mitgeschrieben hat, führte die Teilnehmenden anschließend in das Thema „Qualifikationsmix“ ein und stellte das Impulspapier vor.

Ein „Weiter so“ in der Pflege kann es nicht mehr geben. Steigende Pflegebedarfe und zugleich eine geringe Personalausstattungen machen ein Umdenken in der Pflege unabdingbar. Die Einführung der Personalbemessung nach § 113c SGB X und die Einführung der generalisierten Ausbildung sowie der Vorbehaltsaufgaben von Pflegefachpersonen sind entscheidende Eckpunkte, die die Pflegelandschaft verändern werden. Hierbei ist ein neuer, kompetenzorientierter Qualifikationsmix und eine Neuordnung des professionellen Miteinanders notwendig.

Angelehnt an diese Eckpunkte wurde der Fachtag von vier Impulsvorträgen umrahmt. Prof.in Dr. Anke Simon und Kathrin Heeskens von der Dualen Hochschule Baden Württemberg, berichteten über den Stand der Akademisierung in der Pflege und erörterten die Integration in den Pflege-Alltag. Sonja Lehmeyer vom Diakonisches Institut für Soziale Berufe gGmbH, referierte über das Thema „Übertragung von heilkundlichen Aufgaben auf Pflegefachpersonen“ und gab Einblicke in den aktuellen Diskussionsstand.

Um auch die praktische Seite am Fachtag zu beleuchten, wurden zwei Projekte der Langzeitpflege vorgestellt. Benjamin Kessinger, Bereichsleitung Ambulante Pflege im Ev. Stift Freiburg, hat über die Einführung von Zeitvergütungen in verschiedenen Diakoniestationen berichtet. Das Projekt mit dem Titel „Pflege hat Zeit”, ermöglicht eine individuelle Pflege nach Zeitbedarf des Menschen mit Pflegebedarf. Aus dem stationären Bereich stellte Ruth Ruthardt von der Ev. Diakonieschwesternschaft Herrenberg-Korntal e.V. das Projekt „Qualitime“ vor. Sie erläuterte die Chancen und Herausforderung bei der Umsetzung von Personalbemessung und zeigte verschiedene Organisations- und Personalentwicklungsmaßnahmen auf.

Am Nachmittag wurden die Impulsvorträge in zwei Workshop-Runden vertieft. So hatten die Teilnehmenden die Gelegenheit sich untereinander auszutauschen und mitzudiskutieren. Die Ergebnisse der Workshops wurden in einer Abschlussrunde zusammengetragen. Es war ein sehr gelungener Fachtag, der im Jahr 2023 in Baden fortgeführt wird.